Jannik Schäfer

Interview mit Clemens Schick

Interview von Jannik Schäfer für Fasson, Fotografie von Mathias Leidgschwendner. Februar 2019.

Clemens Schick ist ein ungewöhnlicher Zeitgenosse. Er ist Schauspieler, SPD-Mitglied und Kommiteeangehöriger von Human Rights Watch. Er arbeitet akribisch und viel, spielt in deutschen Independent-Produktionen und Hollywood-Blockbustern. Sein aktuellstes Filmprojekt ist “Kidnapping Stella”. Darin spielen er und Max von der Groeben zwei Männer, die sich im Gefängnis kennenlernen und einen gemeinsamen Plan schmieden, um ans große Geld zu kommen. Für das Fasson-Magazin aus München traf ich Clemens Schick zum Gespräch, indem er über Idealismus, Öffentlichkeit und eine mögliche Zukunft als Politiker spricht.

Clemens Schick für Fasson / Fotografie & Styling: Mathias Leidgschwendner

Jannik Schäfer: Herr Schick, Sie erzählten einmal in einem Interview, dass Ihre Eltern nicht begeistert waren,
als Sie mit Schauspiel anfingen. Was war da los?

Clemens Schick: Ich komme aus einer Juristenfamilie, in der erstmal nicht auf dem Plan steht, dass man Schauspieler wird. Das schien für meine Eltern kein Beruf zu sein, mit dem man sich ein Leben finanzieren kann.

Gab es bei Ihnen zuhause kein Verständnis für das Musisch-Künstlerische?
Doch, sehr sogar, wir sind als Kinder ganz viel ins Theater gegangen. Nur für den eigenen Sohn war das nicht die Zukunft, die meine Eltern gesehen haben. Bei dem Risiko und der Schwierigkeit, die ich in den ersten Jahren erlebt habe, zurecht. Im Nachhinein lagen die gar nicht so falsch mit ihrer Sorge. Dass es so gut gegangen ist und hoffentlich noch weiter gut geht, war nicht von Anfang an klar.

Sie traten einst fast in ein Kloster ein. Was kam dazwischen?
Ich habe direkt nach dem Abitur angefangen in Ulm Schauspiel zu studieren. Das war schrecklich. Da habe ich
gesagt: Okay, das kann es nicht sein. Ich wollte etwas anderes machen und einen radikalen Weg einschlagen. Ich wollte ein Leben mit einer höheren Idee als der Selbstverwirklichung. Also war ich eine Zeit lang in einem Kloster und wollte in den Orden dort eintreten. Nachdem die mich nicht genommen haben, wusste ich nicht was tun, und bin hier in Berlin auf eine private Schauspielschule gegangen.

Sind Sie Romantiker oder Realist?
Ich könnte mich nicht entscheiden. Ich versuche realistisch zu sein, aber ich halte die Realität nur mit romantischer Sichweise aus.

Warum machen Sie die Filme, die Sie machen?
So viele Filme, die ich gemacht habe, so viele unterschiedliche Gründe gibt es, sie zu machen. Manche, um einfach Geld zu verdienen. Manche, weil es einfach das Geilste der Welt ist, in Thailand in 5000 Meter Höhe aus einem Flugzeug zu springen und einen Stunt zu drehen. Manche, weil es schon immer ein großer Wunsch war, mit dieser Kollegin oder dem Kollegen zu spielen. Am Ende geht es mir aber darum, gute Geschichten mit tollen Kollegen zu erzählen. Das ist mein Ideal, mein Traum, das erreicht man nicht immer.

Clemens Schick für Fasson / Fotografie & Styling: Mathias Leidgschwendner

Idealismus ist ein gutes Stichwort. Wann haben Sie damit umzugehen gelernt?
Ohne Idealismus könnte ich nicht überleben. Man stellt ja irgendwann fest, dass das Leben schön ist, aber eigentlich auf eine andere Weise schön, als man es erwartet hatte. Dieser Prozess ist schmerzhaft. Dazu gehört
auch, zu akzeptieren, dass nicht jeder Job am Ende die Erfüllung bedeutet, die man sich vielleicht erhofft hat. Nur wer das aushält, kommt weiter.

Wie ist das beim Schauspiel? Was bekommt das Publikum von außen nicht mit?
Was vielleicht schwierig von außen nachzuvollziehen ist, ist, wie man sich wirklich in andere Menschen, in Charaktere, Psychen, Handlungsweisen verwandelt. Was das bedeutet, wenn man sich wirklich verliert. Das ist für mich die größte Lust an diesem Beruf, aber auch eine große Herausforderung. Wirklich loszulassen von seinen eigenen Mechanismen und Sicherheiten.

Diese Grenzbereiche, die dort entstehen, zwischen dem Eigenen und dem Anderen: wie gehen Sie damit um?
Diese Grenzbereiche sind genau das, was ich suche. Das ist das Glück, was ich an meinem Beruf empfinde. In dem Augenblick, in dem ich in Grenzbereiche komme, verliere ich mich. Und das macht immer Spaß, sich selbst zu verlieren. Mir zumindest.

Und wie ist die Rückkehr?
Das hängt davon ab, was man für ein Zuhause hat. Was man für eine innere Verankerung hat.

Wie ist denn Ihre Rückkehr?
Ich habe ein sehr glückliches, ausgefülltes Leben. Ich freue mich, Ich zu sein. Ich lebe nicht nur glücklich, wenn
ich andere bin. Als Schauspieler…...You gotta be kidding me!

Das Gespräch wird jäh unterbrochen. In der Hotellobby setzt sich ein Klavierstimmer
an den Flügel und fängt an, in die Tasten zu hauen. Immergleiche Töne erklingen in unregelmäßigen Abständen, mal hoch, mal tief. Schick lacht herzlich.

Also mich stört es nicht. Wir hatten früher auch ein Klavier zuhause. Ich habe als Jugendlicher klassische Gitarre gespielt, 6 Jahre lang. Ich konnte nie Gitarre stimmen und einmal hatte ich in der Schule ein Vorspiel und habe in der letzten Sekunde gemerkt, dass eine Seite verstimmt war. Dann habe ich das ganze Vorspiel lang versucht, immer, wenn ich zu der Seite kam, leise zu spielen.

Clemens Schick für Fasson / Fotografie & Styling: Mathias Leidgschwendner

Wie ist denn die Geschichte Ihres aktuellen Projektes „Arctic Circle“?
„Arctic Circle“ ist ein Crime Thriller, eine Reihe. Es geht um einen Virus, der ausbricht, irgendwo im Norden von
Finnland. Wir haben am Länder-Dreieck gedreht, Norwegen, Finnland, Russland. Krasse Natur. Ich hatte das
große Glück, endlich mal mit Maximilian Brückner zu arbeiten und würde sagen, wir sind durch diese Arbeit
Freunde geworden.

Das zweite Filmprojekt, welches am 9. Mai 2019 in die Kinos kommt, ist „Kidnapping Stella“. Mit dem anderen
Max, Max von der Groeben.

Und Jella Haase! Ein Film von Thomas Sieben. „Kidnapping Stella“ ist ein englisches Remake. Eine Entführungsgeschichte. Die Geschichte spielt zu 90 Prozent in einer kleinen Wohnung. Mit Max und Jella auf sehr kleinem Raum so eine heftige Geschichte so intensiv zu erzählen, war ein großes Geschenk. Das war nur möglich, weil alle Beteiligten ohne Eitelkeit dazu bereit waren, alles zu geben.

Merkt man so etwas im fertigen Werk?
Hoffe ich, ja. Wenn nicht, wüsste ich nicht, wie mein Beruf funktioniert, also dann würde ich zweifeln.
Kommen wir zur Politik. Frage an sie als SPD-Mitglied.

Glauben Sie eher an konservativen oder radikalen Wandel?
Meiner Meinung nach bräuchte die SPD gerade einen radikalen Wandel. Sebastian Baumgart, mit dem ich
Richard den III. gemacht habe, sagt, man muss alte Theaterstücke wie eine alte Vase betrachten. Zerschlagen, neu zusammenbauen. Anders haben sie heute keine Relevanz mehr, sonst ist es museal. Vielleicht trifft das gerade ein bisschen auf die SPD zu. Man muss reinhauenund dann gucken, was wiederaufbauenswert ist. Klingt jetzt sehr martialisch.

Der Stimmer schließt den Flügel und geht ab. Wie im Film.

Wie aktiv sind Sie in der SPD?
Ich treffe mich immer wieder zum Austausch mit Leuten wie mit Lars Klingbeil. Ich habe bei mir zuhause seit
anderthalb Jahren in unregelmäßigen Abständen eine Art Salon, bei dem ich Politiker einlade und mit Kulturschaffenden zusammenbringe. Ich liebe es, Leute einander vorzustellen. Es macht mit meinem Leben keinen Sinn, dass ich in irgendwelche Ortsvereinssitzungen gehe, ich bin ständig unterwegs. Also habe ich da so meinen Platz gefunden.

Clemens Schick für Fasson / Fotografie & Styling: Mathias Leidgschwendner

Könnten Sie sich trotzdem vorstellen, aktiv in die Politik zu gehen?
Könnte ich mir. Das ist eine Sache von Angebot von Nachfrage. Ich glaube, wenn es ein interessantes Amt gebe,
das passen würde, dann...

Gibt es ein besonderes Interessenfeld?
Nö. [lacht]

Nicht? Aber trotzdem Gestaltungswille?
Also ich hätte keine Angst vor Verantwortung, eher Lust darauf. Ich glaube aber, dass unser politisches System
nicht unbedingt so durchlässig ist für Quereinsteiger. Es kommt zu selten vor, dass jemand sagt: Ah, ich habe
jetzt angefangen Politik zu machen. Zumindest nicht in meinem Umfeld.

Ronald Reagan.
[lacht] Reagan, ja genau. Also dem steht unser Parteien-System glaube ich noch ein bisschen im Weg. Was schade ist, also weil das, glaube ich, auch ein Problem unserer Demokratie ist. Diese Aufteilung von: Wir als Bürger empfangen und die als Politiker entscheiden und…delivern.

Politik als Service.
So. Das wurde in den letzten Jahrzehnten versäumt, das klarzumachen, dass Demokratie Selbstbeteiligung bedeutet. Und das ist jetzt die Frage, wie kann man das rapide nachholen.

Clemens Schick für Fasson / Fotografie & Styling: Mathias Leidgschwendner

Könnten Sie sich mit Markus Söder auseinandersetzen?
Ja, absolut. Ich glaube aber, ich würde jetzt nicht mit ihm in den Urlaub fahren.

Ist das für Sie ein authentischer Mensch?
Für mich nicht. Seehofer ist für mich authentischer als Söder. Ich würde aber mit beiden nicht in Urlaub fahren
wollen.

Urlaub ist gut. Ich wollte neben der Politik nochmal auf ihre „Closed“ Kampagne kommen. Im Spot sieht
man Sie in einem schönen Haus am See rumalbern. Ein bisschen Drama, ein bisschen Dandy, ein bisschen gelangweilt. Wie gehen Sie mit Werbung um?

Alles was ich mache, trägt zu einem Gesamtbild bei, welches ziemlich entscheidend für meinen Beruf ist. Deswegen ist das immer das Maß: Was trägt wie dazu bei, dass ich als Schauspieler wahrgenommen werde. Schadet das oder nicht? Nur darum geht es. Auch bei jedem Interview. Ich sitze hier nicht mit Ihnen, um mich mal endlich wieder unterhalten zu können, sondern weil ich einen Film promote. Dass das nett sein kann, dass man sich dabei unterhalten kann, das ist ja das Gute daran. Auch mein politisches Engagement wird am Ende Teil dieses Bildes. Es ist eine Gratwanderung. Ich bin eine Person, die in der Öffentlichkeit steht, aber am Ende muss meine Verwandlung im Beruf immer glaubhaft bleiben. Die Leute müssen sich immer noch so frei machen können von allem, was sie über mich wissen, dass sie meinen Rollen folgen.

www.jannikschaefer.com
© Jannik Schäfer 2024